Donnerstag, 18. Mai 2017
GoYa! - Eine Unternehmenskultur.
Ein Plädoyer für die „Wilden Kerle“.
Vor mehr als 12 Jahren sind wir mit GoYa! Die Markenagentur an den Start gegangen.
Es lief von Beginn an Spitze mit dem sofortigen Pitchgewinn eines BMW-Projektes.
Weitere Pitchgewinne folgten: Continental, Samsung, Würth, Lamy, Metropolregion Rhein-Neckar,
Tourismus Rheinland-Pfalz/Saarland, Bundesministerium für Umwelt etc. Soweit so schön.
Doch dann wurde der Ruf laut, dass unser Boot GoYa! mehr Ordnung braucht.
Ein Plädoyer für die „Wilden Kerle“.
Am Anfang ist alles gut. Das Startup geht durch die Decke, die Umsätze steigen und die Mannschaft wächst. Und dann kommt er jedes Mal, dieser Tag, an dem irgendwelche sog. Experten vorschlagen, das eigenverantwortliche Arbeiten auf Zuruf hätte ausgedient und es müsse eine ordentliche Leitungsebene mit Hierarchien (CD Text, CD Art, Management Supervisor, Etatdirektor etc.) eingezogen werden: „Ihr braucht mehr Führungspersonal, das den Blick fürs Ganze hat und klare Ansagen macht.“
Dann geht’s los. Stellenbeschreibungen gehen auf die Reise. Die Mitarbeiter werden bei der Personalauswahl hinzugezogen. Schließlich will die Agentur seinem demokratischen Ansinnen gerecht bleiben. Ist der passende Mann oder die passende Frau gefunden, startet derjenige oder diejenige eine Tour durch die Agentur, um die Prozesse und die Leute kennenzulernen – und vor allem, um sich Akzeptanz zu verschaffen.
Puppenspieler aufbauen.
Warum dieser ganze Zirkus? Es läuft doch alles gut. Offensichtlich machen alle einen duften Job. Und ich wette, dass keiner der Truppe rat- oder planlos in der Gegend herumläuft. Ich wette, dass sich jeder im Team darum kümmert, mit dem passenden Wissen ausgestattet zu sein. Wenn er Lücken hat, fragt er. Fertig. Dennoch sagen Zweifler, kann es einfach so weitergehen. Warum? Weil der Gedanke entsteht, es müssen einige die Fäden ziehen …
Klar, in der Anfangszeit mag es funktionieren, das „wilde“ Arbeiten. Wenn sich das Team mittags beim Kickern trifft. Wenn die Kollegen auf Zuruf agieren. Wenn alle quasi alles machen. Wenn jeder draußen beim Kunden ist und den Markt kennt.
Aber mit der Zeit entsteht Spezialisierung, naturgemäß. Jetzt gibt es Kollegen, die vor allem draußen beim Kunden sind. Dann gibt es Mitarbeiter, die sich dem Projektmanagement und der Kreation verschrieben haben. Andere entdecken vielleicht ihre besondere Leidenschaft fürs strategische Tüfteln und so weiter. Wenn das so ist, wenn die Mitarbeiter auf verschiedenen Baustellen unterwegs sind, dann entsteht der Eindruck, es bräuchte jetzt einige seniorige Menschen, die den Überblick behalten und die verschiedenen Fäden verknüpfen.
Enthaftung, Gerüchte und politische Spielchen.
Mit dem Einzug der Führungsebenen in Beratung und Kreation passiert jedoch etwas Tragisches: Wo früher Vertrauen und Nähe herrschte, entsteht Distanz. „Was kann ich meinem Chef wohl noch erzählen, und womit gehe ich ein Risiko ein?“ Mitarbeiter fangen an, hinter vorgehaltener Hand über den Chef zu sprechen. Offenheit und Direktheit machen Platz für Gerüchte und politische Spielchen.
Doch das ist noch nicht alles. Dramatischer ist, was mit der unternehmerischen Verantwortung eines jeden Einzelnen passiert. Verantwortung wächst nämlich nicht mit der Anzahl der Köpfe. Sie ist eher wie eine Torte. Wenn einer ein großes Stück bekommt, dann bleibt für die anderen zwangsläufig weniger übrig. Die Mitarbeiter, die eben noch selbstständig agiert haben, geben jetzt ihre Verantwortung nach oben ab.
Wo früher jeder in der Agentur das Gefühl hatte, dass er für seine Taten vor der Gruppe geradestehen muss, sind jetzt alle fein raus. Jetzt gibt es ja die Chefs, welche die Zügel in der Hand halten. Die werden es schon richten. Darauf kann sich jetzt jeder prima zurückziehen. Alle fahren nur noch halbe Kraft. Und unsere Chefs sind nicht zu beneiden.
Aber noch viel schlimmer: Die formale Macht unterdrückt eine andere, selbstorganisierende Form der Führung – die natürliche Hierarchie. Gruppen sind nämlich ausgezeichnet in der Lage, eigenständig und situationsbezogen Führung einer konkreten Person zuzusprechen. Nämlich genau der Person, von der die Gruppe glaubt, sie könnte in diesem Augenblick am besten führen.
Führung passiert dort, wo andere folgen wollen.
Nehmen wir Nadine. Slalomdribblerin, Torjägerin, Flankengeberin – und eine der Jungen von den „Wilden Kerlen“ (m/w). Mit Siegeswillen und Disziplin treibt sie sich und ihr kleines Team an. Einfach, weil die wilden Kerle (m/w) es so wollen. Und Roland hält die Truppe zusammen, spricht nach einer Pitchniederlage Mut zu und bündelt die Kräfte gegen die vielen Gegner aus der Agenturszene. Dass Roland da ist, wo er ist, ist nicht das Ergebnis eines planvollen Prozesses. Kein Drehbuch, keine Moderation, keine Quote. Nein, dieser Aushandlungsprozess geschieht letztlich von selbst. Er hat einfach den Mut gehabt, eine Agentur zu gründen. Und das Ergebnis ist immer gleich: Sozial legitimierte Führung beziehungsweise natürliche Hierarchie.
Und wie lange geht die Führung jedes einzelnen wilden Kerls dann? Keine Ahnung. Natürliche Führung wird niemals manifestiert. Sie entsteht, und sie verschwindet. Manchmal dauert es nur einen Wimpernschlag, manchmal bleibt sie über Jahre bestehen.
Die Mutigen leben vielleicht nicht ewig, aber die Vorsichtigen leben gar nicht.
In einer Kinder-Truppe gibt es immer einen, der supergut kicken kann. Einen anderen, der sich im Wald einfach am besten auskennt. Und wieder einen, der im Dunkeln vollkommen angstfrei ist. Wäre es jetzt nicht absurd, dem „Waldmeister“ beim Turnier des Jahres zu folgen? Oder sich bei der Nachtwanderung auf den Fußballer zu verlassen? Macht kein Mensch. Warum aber machen Unternehmen das?
In vielen Unternehmen ist dieses Vorgehen nämlich an der Tagesordnung. Hier wird fröhlich einigen wenigen Personen die Führung für sämtliche Situationen des Tagesgeschäftes zugesprochen. Bei GoYa! haben wir diese formalen Hierarchien bis heute nicht etabliert. Wir haben flache Hierarchien. Jede Stimme hat ihr Gewicht. Und wenn die Teams mal zu groß werden, um Führung eigenverantwortlich zu regeln? Dann teilen wir die Teams einfach. Denn wenn soziale Nähe gegeben ist, regelt das Team die Sache mit der Hierarchie von ganz allein. It's just the way it is: Die Mutigen leben vielleicht nicht ewig, aber die Vorsichtigen leben gar nicht.
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